Siebdruck
Überwachung des öffentlichen Raums
Dieser Text diskutiert negative Aspekte der Überwachung des öffentlichen Raums und behandelt unter anderem Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen, in Bussen oder in Schwebebahnstationen, die Maut, kontaktlose Smartkarten, RFID und Payback.
"Ich hab nichts zu verbergen!"
- Diese Aussage dreht unser Rechtssystem um, denn solange man keine kriminelle Handlung begangen hat bzw. verdächtigt wird eine zu begehen, hat der Staat einen in Ruhe zu lassen. Dafür wurde ein Grundgesetz geschaffen, in dem unter anderem folgende Formulierungen zu finden sind:
Artikel 2 Absatz 1: *"Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt."
Artikel 2 Absatz 2: "Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Feiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden."
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Möchtest Du in einem totalen Überwachungsstaat leben?
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Du bestimmst gar nicht, ob Du was zu verbergen hast. Das liegt im Auge des Überwachers, ob er Dir unterstellt Du hättest etwas zu verbergen bzw. Du würdest Aktionen ausführen, die ihm nicht passen.
- Gläserne Bürger können leichter manipuliert und kontrolliert werden. Bei der momentan niedrigen Wahlbeteiligung, der aktuellen Politik und der wirtschaftlichen Flaute sollte man dieses Argument nicht unterschätzen.
"Das kann sich ja eh keiner alles ankucken. Mir doch egal."
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Dann kann man es auch gleich unterlassen.
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Du vergisst die Technik. Die Bilderflut wird nicht von Menschen manuell ausgewertet, sondern automatisch von Computern und Software z.B. zur Nummernschilderkennung, Gesichtserkennung, Bewegungserkennung oder Anomaliedetection (siehe Begriffserläuterungen).
- Deine Freiheit sollte dir nicht egal sein! Unter keinen Umständen!
"Videokameras schützen gegen Randalierer / Kriminelle / Terroristen."
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Mütze und Schal oder eine Sturmmaske schützt vor dem Auge der Kamera.
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Es gibt trotz Videoüberwachung Banküberfälle genau wie Randalismus.
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Die weitaus meisten Täter werden auch durch Videoüberwachung nicht identifiziert.
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Die Tat wird nicht verhindert. Somit entstehen unter Umständen doppelte Kosten einmal durch den verursachten Schaden und für die Installation und den Betrieb der Videoüberwachung.
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Das Problem des Randalismus kann viel einfacher durch Zivil Courage bekämpft werden.
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Die Verantwortung wird stattdessen an die Kamera delegiert.
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Kamerainstallationen für einen Bus kosten ca 12000 Euro.
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Es verdrängt das Problem der Sachbeschädigung nur anstatt es zu lösen.
- Je nach Ort des Verbrechens (z.B. im Bus) hat der Kriminelle physischen Zugriff auf den Datenträger, auf dem die Videodaten gespeichert sind und kann ihn somit entfernen, beschädigen oder sonst wie manipulieren.
Und ich möchte lieber nicht über Folgen für die nachkommende Generation grübeln, die mit dem Wissen aufwachsen, dass sie immer und jederzeit überwacht werden (können).
Wieso regt sich fast niemand mehr über diese massive Überwachung auf? Wieso hat sich die Gesellschaft seid den 70er / 80er Jahren so massiv gewandelt?
Die Gründe sind wohl in der langsamen Gewöhnung in Form von Big Brother Shows (Opium für's Volk?), Handy- und Digitalkameras sowie Webcams u.ä. und in dem Desinteresse der Bevölkerung zu suchen. Fast niemand denkt über die Folgen der Überwachung nach und akzeptiert einfach blind die Aussagen der Betreiber anstatt sich kritisch mit ihnen auseinander zu setzen.
Hier eine Übersicht auf welchen Gebieten mittlerweile überwacht wird:
- Post
- Bank
- Kaufhaus
- Tankstelle
- Regierungsgebäude
- Bus
- Bahn
- Taxi
- Haltestelle
- Öffentliche Plätze
- Tunnel
- Autobahn
- Universitäten
- Schulen
- Arbeitsplatz
- Telefonbasisstationen
Wie man unschwer erkennen kann sind neben den "normalen" videoüberwachten Gebieten wie Post, Bank, Kaufhaus, Tankstelle und Regierungsgebäude, in den letzten 3 Jahren 200% dazu gekommen! Und (fast) niemand fragt nach dem Sinn oder stört sich daran.
Die Videodaten in den Bussen werden lokal im Bus auf einer Laptopfestplatte gespeichert und nur bei Erkennung einer Straftat ausgewertet, ansonsten werden sie am nächsten Tag überschrieben. Was jedoch theoretisch Strafverfolgungsbehörden nicht davon abhalten muss sich jeden Abend eine Kopie zu ziehen. Wenn die Daten einmal angefallen und digitalisiert sind, kann man sie leicht weiter verwenden.
Die Kameras an den Schwebebahnstationen laufen nach Aussage der Schwebebahnleitstelle mittlerweile immer solange die Schwebebahn in Betrieb ist und die Bilddaten werden entweder über alte Kupfer- oder neue Glasfaserkabel an die Schwebebahnleitstelle übertragen. Diese kann sich nach eigenen Aussagen momentan aber nur bei Bedarf in eine bestimmte Station schalten und die Videos werden auch nicht gespeichert. Die Videokameras, die zusätzlich die Aufgänge am Schwebebahnhof Döppersberg überwachen stellen sich als billige Attrappen heraus. Das System befände sich noch im Aufbau, diese Attrappen sollen in Zukunft durch echte Videokameras ersetzt werden und der Abschreckung dienen. Es ist ebenfalls geplant alle Stationen komplett zu überwachen, also zusätzliche Kameras in den Eingangs- und Aufenthaltsbereichen zu installieren, alle Stationen gleichzeitig zu überwachen und die Videodaten zur weiteren Recherche zu speichern.
Desweiteren geht das Gerücht um, dass die Telekom in die Telefonbasisstationen (diese Telefonstangen) an markanten Plätzen oben eine Videokamera installiert hat. Eigene Nachforschungen am Alten Markt in Wuppertal ergaben, dass es dort zwar ein "Kuckloch" und etwas Platz aber keine Kamera gibt. Rein theoretisch würde sich dieser Platzhalter aber ideal zur Aufnahme einer Videokamera eignen zumal dort auch eine Platine sichtbar war.
Zum Abschluss noch eine kleine Statistik und Informationen zur Videoüberwachung in England. In England kommt 1 Kamera auf 14 Bürger, denn 20% aller Kameras auf der Welt sind dort im Einsatz und kontrollieren z.B. die Innenstadt und das U-Bahn System mit Computern und Software zur Gesichts-, Nummernschild- und Anomalieerkennung. D.h. ein mit Foto bekannter Verbrecher oder jemand, der so ähnlich aussieht, sollte nicht durch Londons Innenstadt laufen, denn sonst könnte es ihm passieren, dass er spontan verhaftet wird. Beim Verwenden der U-Bahn sollte man sich zwei Mal überlegen, ob man seinen Schuh gerade auf dem Bahnsteig zuknüpft und dabei einen Koffer auf den Bahnsteig stellt, weil es könnte ja sein, dass das hinter den Videokameras laufende Computersystem dieses Verhalten als unnormal wertet und das Wachpersonal alamiert.
Möchtest Du in solch einer Welt leben? Ich nicht!
Eine interessante Diskussion zum Thema Videoüberwachung findet man in der 88. Chaosradio Folge.
Wenn man sein neues WSW / VRR Ticket mal unter die Lupe nimmt, wird man merken, dass es sich dabei um solch eine kontaktlose Smartkarte handelt. Eigene Nachforschungen haben ergeben, dass die Smartkarten Funktionalität momentan nicht genutzt wird und ursprünglich dazu gedacht war Payback Aktionen zu realisieren.
Gerüchte, dass RFID Chips in Fahrkarten verbaut wurden bzw. werden kann ich nicht bestätigen, zumal solch eine kontaktlose Smartkarte mehr zu bieten hat, als ein RFID Chip!
Nach Aussagen des VRRs wird auch die kontaktlose Eigenschaft der Karte nicht verwendet, weil sich bei Versuchen technische Probleme ergaben.
Auf meine Frage ob geplant sei Fahrgäste mit Sendern im Eingangsbereich der Busse zu erfassen und deren Fahrten in einer zentralen Datenbank zu speichern, wie es das Berliner Verkehrsunternehmen BVG schon getestet hat (siehe Datenschleuder Artikel tick.et: "wir wissen, wo sie sind."), wurde mir gesagt, dass dies nicht geplant sei, da die Technik noch nicht ausgereift sei. Man hätte noch Probleme mit Fahrgästen, die nur kurz in den Bus einsteigen und ihn sofort wieder verlassen, um beispielsweise einer Mutter den Kinderwagen hinein zu heben und vorbeilaufende Passanten werden ebenfalls noch von diesen Sendern erfasst. Insofern sei in naher Zukunft nicht geplant solch ein System einzuführen und man bestäigte mir auch, dass es nicht mit dem Datenschutzgesetz zuvereinbaren sei Fahrgastdaten für einen längeren Zeitpunkt als die aktuelle Fahrt zu speichern. Ich bin mir allerdings noch nicht einmal sicher, ob es mit dem Datenschutzgesetz vereinbar ist die Daten für die aktuelle Fahrt zu erfassen.
Als letztes möchte ich hier kurz das SCOFI Projekt vorstellen. SCOFI steht für Smart Card Online für das Filtern des Internets und soll eine Smartkarte an Schulen einführen, um den schuleigenen Internetzugang zentral zu filtern. Momentan soll diese Smartkarte offiziell nur für die Authentifikation und das Filtern verwendet werden. Allerdings bietet eine Smartkarte schier unerschöpflichen Mehrwert und kann z.B. auch zum Bezahlen oder Sammeln von Daten bis hin zur Überwachung des Schülers benutzt werden. Man kann z.B. Sender an den Eingangsbereichen der Schule positionieren und per Funk Schüler registrieren, die das Schulgelände entweder betreten oder verlassen.
Diese Informationen könnten zur Identifikation von Schulschwänzern verwendet werden.
Als Schutzmaßnahme kann man wahlweise die Karte komplett in Alufolie einpacken oder die Induktionsschleife zerstören, indem man ein Stück des rechten Rands abbricht.
Es lohnt sich auch ein Blick in den Datenschleuder Artikel Willkommen in der kontaktlosen neuen Welt!
Zum Glück gibt es wie bei den kontaktlosen Smartkarten als Schutzmaßnahme die Mögichkeit den RFID getaggten Gegenstand in Alufolie einzupacken. Sobald RFID aber in den eigenen Anziehsachen steckt, macht diese Methode nicht mehr sehr viel Sinn. Wer will sich schon komplett in Alufolie einkleiden? Auf der RSA Conference 2004 wurde dafür ein RFID Störsender vorgestellt.
Wer sich für das Thema RFID interessiert, der sollte sich auch mal den 20C3 Vortrag zu RFID anschauen.
Diese Punktesammelsysteme erfreuen sich großer Beliebtheit in der Bevölkerung und verdienen somit ebenfalls eine genauere Untersuchung. Warum sind sie auf einmal so zahlreich ins Leben gerufen worden? Und warum steht auf der Liste der teilnehmenden Unternehmen bei jedem Paybacksystem ein und das selbe Datenauswertungsunternehmen?
Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich das gesamte System als gut verteiltes Datensammelsystem und der Kunde gibt dem jeweiligen Unternehmen das Einverständnis seine Daten weiter zu verwerten. Je nachdem wie viele Payback Systeme ein Mensch verwendet, umso besser lässt sich sein Kaufverhalten u.v.m. analysieren, denn alle Daten werden zentral bei CAP Customer Advantage Program GmbH gesammelt, verknüpft und ausgewertet. Wer sich jetzt noch wundert woher z.B. die eigene Krankenkasse wissen könnte, dass man Raucher ist und dadurch den Beitragssatz erhöht, dem kann ich auch nicht mehr helfen.
Mehr Informationen zu Payback gibt es im folgenden Datenschleuder Artikel: Happy Volksverarschung
Nummernschilderkennung: Software, die das Nummernschild eines Fahrzeugs erfasst und entweder nur speichert oder mit einer Datenbank von gestohlenen Fahrzeugen o.ä. vergleicht. Dieses System funktioniert nach Aussagen der Hersteller sehr gut und arbeitet selbst bei Nebel und stark verdreckten Nummernschildern zuverlässig.
Anomalieerkennung: Einer Software wird einmal beigebracht wie "normales" Verhalten im überwachten Gebiet aussieht. Abweichende Verhalten werden erfasst, gespeichert und lösen Alarm aus. Was als "normales" Verhalten akzeptiert wird, liegt im Auge des Überwachers. Zu diesem System sind momentan noch keine Aussagen zur Zuverlässigkeit bekannt geworden.
Bewegungserkennung: Dies stellt eine Weiterentwicklung der Gesichtserkennungstechnologie dar. Ein Lebewesen wird nicht anhand von körperlichen Merkmalen wie Gesicht, Iris oder Fingerabdruck identifiziert, sondern an der Art seiner Bewegungen. So kann man ein Lebewesen selbst noch identifizieren, wenn es sich komplett in eine Verkleidung verhüllt hat, was selbstredend gegen das Vermummungsgesetz in Deutschland verstossen würde. Zu diesem System sind zur Zeit noch keine Aussagen zur Zuverlässigkeit bekannt geworden.